Menschen, Tiere, Fönfrisuren

Falk Döhler wollte früher Tierarzt werden. Stattdessen wurde er Friseur und ist heute irgendwie beides.

Würgeschlange um den Hals

Menschen, Tiere, Fönfrisuren
© Sven Ellger

Ein Artikel von Henry Berndt

Der Blick sagt alles – und er sieht nicht gerade nach Entspannung aus. Zum ersten Mal hat Isolde Dietzel eine Würgeschlange um den Hals hängen. Beim Friseur ihres Vertrauens – wo auch sonst? Der Meister Falk Döhler verspricht einen einmaligen Massageeffekt durch den Königspython namens Monty, der zu 90 Prozent aus Muskeln bestehe. Etwa 30 Minuten soll das dauern – und gleichzeitig als Angsttherapie dienen, auch wenn Falk kein ausgebildeter Therapeut ist. Kostet auch nichts extra. Isolde Dietzel hatte vorher keine Angst. Jetzt hat sich die Schlange zweimal um ihren Hals gewickelt. „Das ist ganz schön fest“, sagt sie. „Soll das so sein?“ Den Massageeffekt kann sie erahnen: „Das ist krass, diese Kraft.“ Falk nickt verständnisvoll. „Bei der ersten Sitzung können die meisten noch nicht entspannen“, sagt er.

Hier in seinem Salon „Haar-Mode-Team“ in Kaditz läuft so einiges ein bisschen anders als bei anderen Friseuren. Gleich am Eingang begrüßen zwei Bartagamen in einem Terrarium die Kundschaft. Nachdem die Elbe 2002 schulterhoch bei ihm im Laden stand, hat Falk die Wände gleich unverputzt gelassen. Auf dem Fußboden kleben große gelbe Smileys. Eine Ostereierausstellung ist hier gerade auch noch zu bestaunen.

Stammkunden wundern sich über so etwas schon lange nicht mehr. Bei Falk läuft auch schon mal ein kleines Schwein oder ein Zicklein durch den Laden. Seit Jahren engagiert sich der 50-Jährige für eine Wildtierauffangstation, rettete schon unzählige verletzte Tiere vor dem sicheren Tod. Einige brachte er kurzzeitig auch im Salon unter. „Ich wollte früher Tierarzt werden“, sagt Falk, „aber durfte in der DDR nicht studieren“. Also wurde er Friseur und eröffnete 1988 seinen Salon in der Rankestraße. Seine Liebe zu den Tieren hat ihn dennoch nie losgelassen, wie man unschwer erkennen kann. Vor einem der Spiegel graben sich gerade zwei Hamster durch ihren mit Stroh gefüllten Glaskasten. „Die sind aber nicht als Futter gedacht“, betont er. Python Monty bekommt nur alle drei Wochen eine Maus, das reicht ihm. Vor 13 Jahren kam er als Schlangenbaby zu Falk und hat sein Zuhause seitdem in einem großen Terrarium in seinem Haus. Nur für die Therapiesitzungen einmal in der Woche bringt Falk Monty mit und legt Wert auf den Hinweis, dass das Tier niemals mit Haarspray oder anderen Pflegeprodukten in Berührung käme.

Aber wie kommt man eigentlich auf so eine Idee? Vor acht Jahren schrieb Falk ein Märchen, das von einem Zwerg Willi erzählt, der mit einer Zauberkugel durch die ganze Welt reist und dabei auf einheimische Tiere trifft. In seinem wohl ziemlich einzigartigen „Friseurtheater“ spielt er die Geschichte seitdem regelmäßig Kindergruppen vor, wobei auch echte Tiere mitwirken. Zu Hause die Hamster, in Australien die Bartagamen und in Afrika Monty, der Königspython. Nach der Vorstellung dürfen die Zuschauer die Protagonisten auch streicheln und Fotos mit Monty machen. „Erstaunlicherweise haben Kinder vor Schlangen keine Angst“, sagt Falk. Die Mehrheit der Erwachsenen dagegen schon. Kürzlich kam Falk daher die Idee mit der Angsttherapie. „Für einige Kunden ist es schon eine Überwindung, wenn ich selbst eine Schlange um den Hals habe“, sagt er. Stammkundin Aida Haubold gehört definitiv dazu. Sie hält lieber einige Meter Abstand, will auch nicht anfassen. Man kann es kaum glauben, aber sie ist wegen ihrer Haare hier.

„Ich bekomme schon immer mehr Anfragen von Menschen, die ihre Scheu vor Schlangen bekämpfen wollen“, sagt Falk Döhler. Die ersten habe er schon erfolgreich therapiert. Und frisiert.